Ich war letzten Monat wieder in Bosnien bei den Wildpferden. Mit Conni.
Ich wollte mein neues Pferdebewusstsein unbedingt in meinen Fotografien festhalten.
“Jaja, Wiebke. Wir schauen jetzt mal, ob du schon so weit bist und es wirklich kannst und willst.” Sagte das Universum. Und prüfte mich erstmal mit…
Fieber und schmerzenden Ohren im Flugzeug. Bilderbuchgrippe zum Reisestart. Jackpot!
Keine Ahnung, wie wir es ins Hotel geschafft haben. Aber zum Glück brauchte ich mich in der Nacht nicht zu lange mit Erholung zu quälen.
Denn es ist doch ganz klar, dass Fotografen den Sonnenaufgang nunmal zum Fotografieren nutzen, oder? Und dass sie sich deshalb selbstredend schon um 05:00 Uhr morgens vom Ranger abholen lassen wollen. Oder?
Und damit wir auch wirklich richtig wach wurden und auf der Fahrt nicht wieder einschlafen würden, haben wir uns einfach noch bis 06:00 Uhr von der frischen Morgenbrise durchpusten lassen. Bis der Ranger kam.
Und wenn du jetzt befürchtest, dass wir ja den Sonnenaufgang verpasst haben… Haben wir nicht. Der bedeckte Himmel hat uns zum Glück vor diesem Ärgernis bewahrt.
Perfekter Start in den Tag – also auf in die Berge, Pferde suchen! Zwei Mädels aus Deutschland waren zufällig auch vor Ort und so stiegen wir zu viert in den Jeep.
Wir passierten zwei Herdenschutzhunde, so groß wie unser Geländewagen… Drohend-knurrend, die kleine leerstehende Feriensiedlung bewachend… Süß…
Jemand: “Was machen wir eigentlich, wenn uns solche Hunde angreifen?”
Ich, besonders witzig: “Hinlegen und beschwichtigen.”
Okay.
Angekommen im Nichts, war da endlich eine Wildpferdefamilie.
Grund für den Ranger, sich zu verabschieden. Er würde um 12 Uhr wiederkommen. Da hinten am Wasserloch. So ca. 1,5 km weiter in diese Richtung da.
Ja nice, so machen wir’s. Dann würde ich den Rest des Tages doch nochmal das Bett hüten können.
Endlich war die Morgenbrise hier oben auch zu einem scharfen, eiskalten Wind geworden. Damit ich bei der Arbeit auch bloß wach bleiben würde!
Die paar Stunden bis zum Mittag… Die mach ich doch mit links.
Tatsächlich war die Zeit bei den Pferden trotz allem magisch. Wir konnten Pausen machen in windgeschützten Kratern, oder weiterziehen zu anderen Familien. Da sind fantastische Fotos entstanden!
Und dann war es auch schon 12:00 Uhr.
Und wir am Wasserloch.
Beeindruckend, die Baderegeln der Pferde: Die Familien müssen sich anstellen, um an die Reihe zu kommen.
Weniger beeindruckend war, weit und breit keinen Geländewagen zu sehen.
Ja, gut, egal. Pünktlichkeit wird überbewertet. Das lernt man überall, nur in Deutschland nicht. Dann warten wir eben ein bisschen, kein Ding.
13:00 Uhr.
Und der eiskalte Wind so: “Naaa Wiebke, wie lange wirst du es heute mit deiner Grippe hier aushalten? Testen wir es doch mal!”
Ha! Wir sind vor ihm geflohen, in einen geschützten Bereich! Hat er nicht mit gerechnet. Nur eine von uns hat oben abwechselnd Ausschau gehalten. Ich nicht.
14:00 Uhr.
“Er kommt wohl nicht mehr. Schade.”
“Hat jemand seine Nummer?” – Betretenes Schweigen. War irgendwie keine Glanzleistung von uns, ihn nicht danach zu fragen. Als wären wir alle 16 oder so: Passt schon, passiert eh nichts.
“Können wir nicht einfach selbst nach Livno zurück laufen?” – … . Begeisterung sah anders aus.
14:25 Uhr.
Todesmutig sagte ich: “Ich schalte jetzt mein Handy an!” (Roaming und so… Kostet ein Vermögen…)
…
| 43.8[…]; 17.0[…] – the place where the vehicle will be for you.
Ähm.. Wie jetzt? Die haben meine Nummer? Und versucht, mich zu erreichen??
| This is the closest location where a vehicle can come.
Ups…
Na schön, der Tag ist ja noch jung! Also einfach nochmal undefinierte Kilometer den Berg hoch ins Nichts wandern. In der Hoffnung, dass das GPS-Signal auch richtig funktioniert. Was soll schon schief gehen?!
Bis auf, dass wir durchgefroren, hungrig und krass erschöpft waren?! – Eben.
Da standen wir nun auf dem Hügel am Funkmast – und unter uns ein Feldweg, wenige Gebäude… Und: Geländewagen! Darunter vielleicht unser Ranger?
“Wir gehen jetzt ein Stück runter und machen auf uns aufmerksam!”, versuchte ich zu überzeugen.
“Nee, Wiebke. Echt nicht. Ohne uns.”
Aber Conni kam mit. Und so ließen wir die anderen beiden Mädels allein in der Wildnis zurück. Und waren wenig später fast am Ziel.
Nur noch ein kleiner Anstieg und dahinter kommt schon die Straße.
Ähm…
…
…
…
…
Ich sage dir, , du hast keine Ahnung, was gleich passiert. Hatte ich auch nicht. Bis wir hinter dem Hügel…
…
…
…
…
Eine Schafherde sahen. Süß, oder? Sie graste friedlich.
Der Anblick wäre fast schön gewesen…
…
…
…
…
Wenn nicht ein riesiges, pelziges, zähnefletschendes Wesen lautstark-bellend-gröhlend auf uns zugelaufen wäre. Ein Herdenschutzhund.
Mein Urinstinkt schrie mir ins Ohr: “Wiebke!!! Renn um dein Leben!!!”
Und das tat ich. Sofort. Und Conni auch. Wir machten auf dem Absatz kehrt und rannten wieder bergauf. Über Stock und Stein.
“Conni, es wäre vermutlich besser, jetzt nicht wegzulaufen! Das ist total dumm, was wir hier machen!”
Aber gegen deine Urinstinkte bist du halt wehrlos. Und ob “hinlegen und beschwichtigen” jetzt wirklich die Lösung gewesen wäre?
Immerhin – ich weiß nicht, ob du es schonmal ausprobiert hast, , aber – Todesangst ist echt ein gutes Mittel gegen Grippe. Allerdings nur bedingt zu empfehlen.
Endlich oben bei den beiden anderen angekommen! Aber die sahen uns nur irritiert an.
Und im selben Moment, bevor irgendjemand was sagen konnte: Kam ein Jeep aus dem Nichts angefahren.
Und es stieg niemand Geringerer aus dem Auto als Marc Lubetzki. Mit Rangerhut und hollywoodreifem Grinsen. Kam er lässig auf uns zu. Wie bei James Bond oder Romancing the Stone.
„Da seid ihr ja!“
Klar – Marc Lubetzki, der Retter in der Not.
Die Situation war an Surrealität nicht mehr zu übertreffen. Ich verstand nicht recht, was hier geschah und auch Conni, völlig außer Atem, murmelte nur: “Wiebke, du bist so schnell gelaufen.”
… um dann im nächsten Moment ihr Smartphone zu zücken und einfach fangirlmäßig ein Foto von Marc zu machen. Was man halt so macht, wenn man vorher fast vom Herdenschutzhund erfasst wurde.
Nur schade für sie, dass sie meine neuen Lightroom-Presets nicht hatte… Sonst hätte sie dem Foto direkt den surreal-strahlenden Ausdruck geben können, der dieser Situation entsprach. Sowas vergisst man schnell…
Ich hoffe (für dich), du hast meine Presets schon… Dann kannst zumindest du deine Tierfotos innerhalb von zwei Sekunden in die Stimmung bringen, die du beim Fotografieren auch gespürt hast.
Aber ich schweife ab… Marc Lubetzki? Bei uns, im Nichts von Bosnien??
– Ja, der bekannte Tierfilmer war tatsächlich selbst gerade in der Gegend, um neue Aufnahmen der Pferde zu machen. Und unser Verschwinden hatte sich scheinbar rumgesprochen.
Und… Was war nun mit dem Herdenschutzhund, fragst du dich?
– Der hatte irgendwann von uns abgelassen und war umgekehrt. Puh…
Man sagte mir, “das nächste Mal” solle ich mich “groß machen und den Hund vertreiben”. Okay. Nichts leichter als das. Das nächste Mal dann.
Aber nur, wenn Marc Lubetzki wieder aus dem Nirgendwo auftaucht, um uns zu retten!
Bis bald,
Wiebke