Mir wird schlecht, als die große Boing in den Landeanflug geht. Zum ersten Mal dreht sich mein Magen im Flieger um. Grund sind die Anden unter meinen Füßen: Sie wirbeln die Luft durcheinander und mit ihr auch unser Flugzeug. Da ich im Mittelblock sitze, habe ich kein Fenster, durch das ich zur Orientierung rausschauen kann.
Als wir zur Landung ansetzen, ist es draußen schön dämmrig. Zwei blonde Jungs, 6 und 9 Jahre, warten auf mich am Flughafen. Begleitet von ihrer österreichischen, ebenso blonden Au-Pair. Luca, Elias und Lisa holen mich ab und bringen mich mit dem Taxi in mein 3-wöchiges Abenteuer in Ecuador.
Meine Gastgeberin Christina
Eingeladen bin ich bei Christina Marz Ring auf ihrer 4 Volcanoes Loge. Anfang 2016 kamen wir per E-Mail in Kontakt. Christina fragte nach einigen meiner Bildmotive, die sie für ihre aktuellen Tierschutzkampagnen nutzen wollte. Statt der Bilder bot ich ihr ein eigenes Fotoprojekt in Südamerika an. Im November 2016 setzten wir die Pläne in die Tat um. In den folgenden 3 Wochen lerne ich Land, Leute und deren Tiere kennen. Die Bevölkerungsschichten sind stark ausgeprägt, die Unterschiede zwischen den ethnischen Bevölkerungsgruppen extrem. Und so ist auch die Tierhaltung. Christina hat es sich zu einer ihren vielen Aufgaben gemacht, für Aufklärung in der Pferdehaltung und artgerechten Umgang mit den Tieren zu sorgen.
Seit etlichen Jahren lebt die Deutsche mit ihren drei Kindern bereits in Südamerika. Als diplomierte Psychologin kombinierte sie ihre Professur mit der Arbeit mit Pferden. Auf ihrem Grundstück leben 8 „Rescue Horses“, gerettete Tierschutzfälle, sowie ein Fohlen. Die Tiere werden nicht oder nicht mehr geritten. Spannend, so sagt Christina, ist die positive Entwicklung gerade bei jungen Pferden, wenn diese einfach Pferd sein dürfen. Stattdessen fungieren die Tiere als Lehrmeister in ihren Kursen. So bietet sie zum Beispiel Managerkurse, Familien- und Psychotherapien auf Natural-Horsemanship-Basis an. Es geht vor allem um klare Körpersprache, Teambildung, Durchsetzungsvermögen, Vertrauen und ums Grenzen überwinden.
In Ausbildungsgruppen schult Christina mit ihrem „Empodermamiento Con Caballo“ Interessierte, die nach ihrer Strategie ebenso pferdegestützte Therapien anbieten möchten. Die Schulung geht über mehrere Monate, beinhaltet verschiedene praktische Kurswochenenden, Skypegespräche, einen dicken Ordner mit Übungsaufgaben und ein Zertifikat beim Bestehen der Prüfung. Für diese Kurse arbeitet Christina unter anderem mit Höfen zusammen, die gerettete Pferden aus schlechter Haltung oder von der Rennbahn in Pflege nehmen. So kann sie den Einheimischen auch zeitgleich veranschaulichen, wie sich eine artgerechte Haltung auf das Wohlbefinden und die Gesundung auswirkt.
Ecuador – ein Land voller Zwiespälte und Gegensätze
Zunächst lerne ich in der Umgebung von San Pablo del Lagos und Otavalo Land und Leute kennen. Gemeinsam erkunde ich abwechselnd in Begleitung mit Lisa und/oder Christina die Gegend. Ich bin überwältigt von der grünen Natur, die uns trotz der Höhe umgibt. Die umliegenden Vulkane sind grün bewachsen, die kleinen Wäldchen üppig und vielfältig.
Auffallend ist, wie ruhig die Einheimischen im Bus sind. Das Klischee von temperamentvollen Südamerikanern geht hier nicht auf. Otavalo liegt hoch in den Anden und ist das Zuhause indigener Bevölkerungsgruppen, quasi den Nachfahren der Ureinwohner. Ecuador gilt als eines der friedlichsten Länder Südamerikas, die Leute werden sogar von anderen Südamerikanern als temperamentlos bezeichnet. Man legt statt auf Worte lieber Wert auf das äußere Erscheinungsbild: die langen, dicken Haare der Ecuadorianer sind sehr gepflegt, die Kleidung, oft traditionell nach Volk, ordentlich. Auf dem Markt scheint jeder zweite Laden ein Frisörsalon zu sein, übrigens auch inmitten der Schlachtereistände. Anschaulich tote Tierkadaver hängen zerstückelt neben dem neuesten Frisurentrend, den man sich bereits für wenige US-Dollar verpassen lassen kann. Meine blondhaarigen Begleiter stechen aus der Masse von lang- und schwarzhaarigen, recht kleinen, braungebrannten Leuten heraus. Ich selbst überrage mit meinen 1,79m fast alle Leute.
Wer etwas auf sich hält, geht statt auf günstigen Märkten der Einheimischen lieber in den überteuerten Supermärkten der westlichen Welt einkaufen. Die Kreditfalle schlägt zu. Denn natürlich kann es sich diese Bevölkerungsschicht in den meisten Fällen gar nicht leisten, so solchen Preisen einkaufen zu fahren. Stattdessen werden für völlig überteuerte Luxus- und Importgüter maßlos überzogene Kredite, mit einem Zinssatz von 20%, aufgenommen. Autos beispielsweise werden in Ecuador teurer gehandelt, als in der EU. Die Regierung möchte mit hohen Einfuhrzöllen lieber die einheimische Wirtschaft stärken. Blöd nur, dass viele Leute trotzdem ein Auto benötigen. Die Menschen haben den Umgang mit Geld jedoch kaum gelernt, rechnen nicht nach und können die Kredite irgendwann nicht mehr zurückzahlen.
Überall zeichnen Bauruinen das Erscheinungsbild der Städte und Dörfer. Insolvenzen sind schuld. Wer sich ein besseres Haus leisten kann, hat meistens ein Familienmitglied, welches im Ausland arbeitet und Geld schickt. Allgemein sind viele Häuser jedoch fernab von Ästhetik und gutem Geschmack. Es wird gebaut, wenn Geld kommt und „designed“ , was gerade im Trend ist. Bunte, konvex gewölbte Fensterscheiben zum Beispiel.
Mir als Europäerin begegnen die Einheimischen freundlich und aufgeschlossen. Das Bild des „Eroberers“ ist immer noch in den Köpfen verankert und so strukturiert sich auch die Bevölkerungshierarchie: ganz unten stehen die Afro-Ecuadorianer, die Nachfahren ehemaliger Sklaven. Ihre Slums gehören eindeutig zur dritten Welt und erinnern stark an Afrika. Zur unteren Mittelschicht gehören die indigenen Völker, also die ursprünglichen Bewohner des Landes. Mittel- und Oberschicht gehören nach wie vor den Nachfahren europäischer Siedler. In ihrem Besitz finden sich die alten Haciendabestände und damit Unmengen an Land. Heutzutage steht die Viehhaltung jedoch nicht mehr im Vordergrund. Stattdessen leiten die reichen Familien die modernen Firmen wie Autohäuser und Co. Auch das Schulsystem ist auf die verschiedenen Schichten aufgegliedert. Es gibt kaum eine Chance seiner Herkunft zu entfliehen und aus seiner Schicht auszubrechen. Stattdessen setzt man auf eine starke Solidargemeinschaft. Von besser verdienenden Mittel- und Oberschichtlern wird erwartet min. 1-2 Haushaltshilfen aus ärmeren Familien zu beschäftigen und damit Jobs zu schaffen. So ist auch die Chance gegeben, gleich als ganze Familie auf einer Hacienda zu arbeiten. Dabei wird Unterkunft und Verpflegung vom Lehnsherren gestellt. Zudem wird erwartet, dass dieser im Krankheitsfall für die Familie einsteht und sorgt. Trotzdem erledigen die Haciendaarbeiter ihre Aufgaben oft nicht verantwortungsbewusst. Tritt ein Problem auf, auf das man flexibel und mit Verstand reagieren muss, wird auf Lösung von „oben“ gewartet, statt selbst zu handeln.
Trotz der unterschiedlichen Schichten fällt auf, dass fast jeder sogenannte Nutz- und Haustiere besitzt. Viele Hunde laufen auf den Straßen herum, längst nicht alle sind Streuner. Zumindest in Otavalo. Die Bewohner leben im relativen Einklang mit den Hunden, teilen Nahrung oder lassen ihre eigenen Hunde schlichtweg tagsüber die Straßen erkunden.
Ein viel weniger freies Leben führen hingegen viele Huf- und Klauentiere. Aufgrund mangelnder Weideflächen sehe ich am Straßenrand etliche angebundene Rinder, Ziegen, Schweine, Esel und Pferde. Je höher die Lage, desto weniger nahrhaft ist der Boden und in den besonders heißen Sommermonaten das Gras verbrannt.
Tiermarkt Otavalo
Besonders eindrücklich wird der Stellenwert der Tiere auf dem Tiermarkt Otavalos sichtbar. Dicht gedrängt werden Schweine und Rinder durch die Straßen gezerrt, um dann eng auf einem Platz aufgereiht Interessenten vorgestellt zu werden. Ein entsetzliches Geschrei ertönt in meinen Ohren. Besonders die Schweine tun lautstark ihren Unmut kund. Wer nicht mitkommen will, wird geschlagen. Auch zwei Pferde warten, verhältnismäßig entspannt, auf einen neuen Besitzer. In einem gesonderten Areal werden Hühner eng an eng aus Kisten verkauft oder je zu zweit, kopfüber an den Beinen zusammengebunden, angeboten. Der Gestank ist barbarisch. In Kisten sind Küken zu erwerben, Hähne werden an den Beinen angeleint(,)oder in kleinen Pferchen zusammengedrängt verkauft. Trotz der Naturverbundenheit einiger ecuadorianischer Völker: Tiergerecht ist das nicht.
Ein paar Tage später lerne ich einen einheimischen „Horseman“ kennen. Er bietet Touristenausritte an. Den Pferden scheint es körperlich an nichts zu mangeln. Begleitet werde ich von Daniela Kohler, einer deutschen Fotografin, die seit 2 Jahren in Südamerika lebt. Sie hat uns den Ausritt gebucht. Der Pferdeführer hält seine Tiere in Gruppen auf Weiden. Er selbst reitet ein erst kürzlich aus schlechter Haltung gekauftes Pferd. Mein Reitpferd ist artig, jedoch verspannt. Feine Hilfen werden nicht angenommen, generell scheinen Gewichtshilfen ein Fremdwort zu sein. Ich lasse das Tier an Zügeln und Flanken in Ruhe und selbst seinen Weg gehen.
Am Abend trinken wir auf dem Nachtmarkt Otavalos Aloe-Vera-Tee. Aloe-Vera gilt als eine der wohltuendsten und flexibel einsetzbarsten Heilkräuter der Natur. Die natürlichen Gemüse- und Obstsorten genieße ich in Ecuador sehr. Zuhause kommt schließlich immer nur die selbe Sorte Banane oder Mango auf den Tisch. Von Biodiversität ist bei uns keine Spur mehr. Ansonsten ist die Nahrung getreide- und vor allem maislastig. Nach einer Woche vermisse ich das grüne Wintergemüse aus Deutschland. Ausgleich finde ich mit den vielfältigen Obstsorten.
In 4000m Höhe
Einen ersten Kontrast zum Alltag in Otavalo erlebe ich auf einer ursprünglichen Hacienda in Píntag. Etwa in 4000m Höhe gibt es dort einige Rinder-, Alpaka- und Pferdeherden auf riesigen Weiden. Im Hintergrund einer von Ecuadors vielen Vulkanen, der vor 200 Jahren ausgebrochen und deutliche Spuren ins Land gezeichnet hat. Noch immer sieht man gigantische, ausgetrocknete Lavastraßen. Das Land gehört einer wohlhabenden Familie aus der oberen Bevölkerungsschicht und erfüllt kaum noch einen Zweck. Nur wenig Milch wird im Monat produziert. Das Gras in der Höhe ist hart und wenig nahrhaft. Bäume gibt es kaum, die Luft ist dünn. Die Pferde sehen rippig, aber nicht abgemagert aus. Ausnahme bildet nur die neu dazu gekaufte Herde. Die Tiere stammen aus schlechter Haltung und müssen aufgepäppelt werden. Die Ställe sind zweckmäßig, teilweise schon etwas in die Jahre gekommen. Ein Mitarbeiter der Ranch wirft sich in traditionelle Gauchotracht und demonstriert seine Arbeit in den Pferde- und Rinderherden. Sein kleines Pferd ist schwer gezäumt, arbeitet jedoch fleißig mit.
Gesteuert werden die Pferde oft nur über den Zug an der Kandare, leider. Immerhin leben die Tiere aber frei in Herdenverbänden und müssen keine sportlichen Leistungen erbringen. Für Sensibilisierung im Umgang mit den Pferden sorgt Christina. Valeria, die Tochter des Hofbesitzers, ist Mitglied in Christinas Ausbildungsgruppe und lernt unter anderem Methoden des Natural Horsemanships. Ihr Bewusstsein für die Tiere hat sich bereits geändert und sie startet erste Versuche mit einer kleinen Pferdegruppe auf ihrem Hof. Als wir mit dem Geländewagen über die Weiten der Hacienda fahren, entdecke ich ein Pferdegerippe. Ich erschrecke und fühle mich an meine Reise nach Gizeh und skelettierte Pferde in der Wüste erinnert. Hier jedoch hat der Kadaver seinen guten Grund: Haciendabesitzer sind dazu angehalten, verendete Tiere für die Aasfresser liegen zu lassen. Die Vögel finden durch die übermäßige Flächenausrottung des Menschen kaum noch Nahrung. So versucht man, den Bestand zu sichern.
Willkommen auf der Hacienda LaDanesa
Den ultimativen Wohlstand begegne ich zusammen mit Christina in Guayaquil auf der Hacienda LaDanesa. Nachfahren dänischer Einwanderer haben aus dem 800 Hektar großen Areal ein Paradies für Touristen mit ökologischen Obst- und Gemüseanbau, Pferdehaltung und -zucht sowie Rinderhaltung geschaffen. Eine kilometerlange Allee führt von der Hauptstraße durch die Länderei. Riesige Bäume verlieren urig große Blätter. Links und rechts erstrecken sich endlose Weiden. Tropisch bunte Pflanzen zieren das Hauptgebäude, eigene Köche verwöhnen die Gäste mit erstklassigen Menüs mit Zutaten aus Eigenproduktion. Wir werden mit frisch gekühltem Erdbeer-Minze-Wasser empfangen, die Koffer werden vom Personal ins Zimmer getragen.
Die Pferde leben in Herden auf endlosen Weiden. Doch: Die Zucht erfolgt eher willkürlich auf Farbe und die Tiere dienen den touristischen Zwecken. Ausgebildet sind die Pferde längst nicht nach unseren Standards. Sie dulden zwar Sattel, Zaumzeug und Reiter, werden jedoch ausschließlich über die scharfe Kandare geritten. Weggedrückte Rücken, spannige Pferde und aufgerissene Mäuler sind die Folge. Die zuständigen Gauchos handeln, wie in so vielen Teilen der Erde, nicht aus Bosheit, sondern aus Unwissen. Diese Reitweise wird seit Ewigkeiten praktiziert und weitergegeben. Zum Zwecke der Fortbewegung funktionieren die Pferde. Für die Sensibilisierung hinsichtlich der Gesunderhaltung und des schonenden, feinen Reitens muss erst gesorgt werden. Ein Job für Christina. Auch beim Fotoshooting mit den Hengsten wird klar: die Pferde respektieren den Menschen längst nicht als Leitperson. Morgan zieht Christina quer durch den Fluss im Dschungel, zwar mit keinen bösen Absichten oder aggressivem Verhalten, sondern schlicht mit stoischer Kraft Richtung Grün. Dabei stammt der Hengst aus Amerika und hat dort einige Shows gewonnen, kennt also Strick und Halfter. Die angestellten führen ihn nur mit verschärftem Zaumzeug. Schmerz statt Vertrauen.
Die ersten Gespräche mit Haciendachef Niels verlaufen sehr positiv. Er ist sehr interessiert daran, den Umgang mit den Pferden zu optimieren, sucht sogar bereits Pferde-Au-Pairs im Internet, die die Reitausbildung der Pferde übernehmen. Doch auch die Mitarbeiter der Ranch müssen geschult werden und bereit sein, von ihren Traditionen loszulassen.
Seelenheil für Sportpferde
Im kleineren Rahmen doch etwas pferdegerechter geht es im Horse Hotel von Mateo zu. Er betreut Sportpferde. Die Tiere wachsen bei ihm auf, kommen zwischen den Turniersaisons auf seine üppigen Weiden zur Erholung und dürfen schließlich ihren Ruhestand bei ihm genießen. Sogar schwer kranke Pferde, ich sehe ein Tier mit gebrochenem Bein, erfahren bei ihm Genesung und einen schönen Lebensabend. Urige Holzhütten stehen den Pferdebesuchern im Wald zur Verfügung. Ich bewohne während unserer Fotosession die Hütten alleine. Nachts höre ich durch das Holz eigenartige Geräusche, Tiere laufen über mein Dach. Viel Schlaf finde ich nicht. Dafür lohnt sich das frühe Aufstehen am Morgen: Die Pferde werden zu den Weiden geführt und passieren einen von Büschen gesäumten, sandigen Pfad. Staub wirbelt auf, die Lichtstrahlen des Morgens darin gebrochen, Silhouetten der Pferde romantisch in Szene gesetzt. Besonders fasziniert mich die Rentnergruppe: Ich sehe Tiere, die trotz Altersschwächen zufrieden und aufgeschlossen sind. Sie begrüßen uns auf der Weide, klammern sich regelrecht an Mateo. Ihnen wird für ihre Leistung im Sport gedankt, dem Besitzer, also Kunden von Mateo, sind die Pferde das Heiligste auf der Welt. Erstmalig erkenne ich hier auch definierte Warmblutpferde. Denn die Zucht in Ecuador wird auf den Haciendas oft nur als Hobby wohlhabender Männer betrieben und wenig überlegt durchgeführt. Deshalb ist es auch schwierig, eine konkrete Rasse auszumachen.
Im Staub
Zurück in Guayaquil: Im Süden des Landes ist es brütend heiß. Nach unserem erholsamen Aufenthalt auf der Luxus -Hacienda von Niels bringt Christina mich ins andere Extrem. Wir haben einen Termin auf der Rennbahn der Stadt. Zerfallene Stalltrakte reihen sich am Rande eines Industriegebietes aneinander. In dunklen, vergitterte Verschlägen hausen die Vollblüter. Von Weidegang können diese Pferde nur träumen. Mir fällt auf, dass einige der Pferde viel größer als die Rennpferde aus den Linien hierzulande sind. Staub wirbelt auf, wenn die Arbeiter die Pferde mit durchs Maul gezogener Kette, Nasenbremse oder schlimmeren Mitteln vorbeiführen. Die Sonne brennt und es wundert mich, dass noch kein Tier kollabiert ist. Ein Übungsrennen findet heute nicht statt, die Pferde werden lediglich verwogen. Aus den Boxen schauen leere Augen. Ein Bild, was man auch hier in Sport- und Leistungsställen wieder findet, auch wenn die Fassade sicherlich eine andere ist.
In dem Traktbereich, in welchem mein heutiges Fotomodel haust, lebt ein Ehepaar. Sie arbeiten als Aufpasser. Zunächst ist mir nicht ganz klar, ob der dunkle und dreckige Verschlag tatsächlich ein Wohnort sind. Hier bin ich wieder ganz am anderen Ende der Gesellschaft und erlebe eine Armut, die mich wieder einmal sehr dankbar werden lässt, was wir in Deutschland für selbstverständlich halten.
Glück haben die Pferde, die später ein friedliches Leben als Rescue Horse führen dürfen. Auf Christinas Workshop in Guayaquil lerne ich ein ehemaliges Rennpferd kennen, welches früher als unberechenbar und nicht zu händeln galt. Im neuen Zuhause wird klar: Das geschundene Pferd ist längst wieder ansprechbar, posiert für ein Fotoshooting sogar mit einem Kind.
Dies ist der erste von zwei Teilen zu meiner Ecuadorreise. Im nächsten Bericht lernt ihr eine Frau kennen, die mit Leib und Seele für ihre vierbeinigen Schützlinge lebt!
Liebe Wiebke,
ich finde deinen Beitrag wirklich sehr interessant. Jedes mal wieder finde ich es spannend wie ander Menschen Ecuador erleben und so einzigartige Erfahrungen machen – das spricht nur für die Diversität des Landes.
Viele deiner Erfahrungen kann ich wirklich teilen, einiges ist mir neu. Gerade der Umgang mit den Tieren ist Vielerorts so unglaublich bedenklich – und das obwohl die meisten Besitzer ihre Tiere unglaublich lieben. Wie du auch gesagt hattest, nicht aus einem bösen Geist sondern aus reiner Unwissenheit wird so gehandelt. Umso schöner finde ich es, auch die positiven Seiten/Orte zu sehen. Danke für den Einblick.
Definitiv sollte man aber auch noch erwähnen, dass das Leben der Menschen in den Städten sich nochmal unterscheidet von dem auf dem Campo. Neben der großen Spalte zwischen arm und reich gibt es auch eine große Mittelschicht, die man nicht vergessen sollte.
Ich bin schon sehr gespannt, was du aus deiner Zeit aus Mompiche erzählen kannst. Ich kenne das Projekt, habe es aber noch nie wirklich vom Nahen betrachtet.
Ganz liebe Grüße,
Lara
P.s.: Die ‚ruhigen‘ Busfahrten kenne ich, dafür aber auch umso turbulentere 😉
Que viva Ecuador!