Mal ehrlich: Auf welche Beiträge und Headlines klickst du intuitiv z.B. auf Instagram oder welche „Hook“ von Reels hält dich auf? Hast du dich selber dabei ertappt, wie dein Gehirn immer wieder den Drama-Kick verlangt?
Drama in der Fotografie
Als Pferdefotografin erlebe ich es seit Jahren aus erster Reihe. Dramatische Bilder und Inszenierungen sind der Renner. Fotos und Reels mit krassen Motiven und Texten mit übermäßig gefühlsbetonten oder provokanten Aussagen ziehen Klicks und Likes an. Das ist ein Grund, warum viele Pferdefotografen kaum von ihren Bildern überzeugt sind, weil sie eben nicht das krasseste Model vor spektakulärster Kulisse fotografieren können und sie den Bildwert an (vermeintlich fehlenden) Likes festmachen. Weil ihre Bilder schlicht wirken im Vergleich zu aufwändig inszenierten Szenenshootings. Weil das, was alltäglich wirkt, eben nicht die abgestumpften Nervensysteme anreizt darauf zu reagieren.
Bitte verstehe mich nicht falsch: In Kunst und Fotografie ist Spannung durchaus eines der wichtigsten Stilmittel. Z.B. durch gute Komposition, ästhetische Licht- und Schattenkontraste und auch durch imposante Naturphänomene. Doch letzteres ist eher eine Ausnahme für unseren Bereich der Fotografie: nur ein Bruchteil der Pferde in Deutschland lebt in den Bergen oder am Meer. Die allermeisten sind zuhause auf einfachen Wiesen und Weiden, eher zu klein als zu groß.
Pferde zu spektakulären Orten fahren zu lassen – das ist im ersten Moment eine spannende Fotomöglichkeit und ich kann jeden verstehen, der das gerne einmal erleben möchte. Ich habe es selbst so viele Male umgesetzt.
Aber es dient uns nicht mehr.
Denn: Es ist nicht echt, nicht authentisch. Viel mehr ist es eine Form des Egos, das „schneller-höher-weiter“ zu bedienen, bei dem das Pferd in seiner Kraft und seinem Ausdruck gebraucht wird, um den eigenen Bildwert zu erhöhen. Das entspricht jedoch nicht dem Wesen der Pferde. Die sind in ihrer wahren Natur nämlich zuhause in ihrer Pferdefamilie. Ohne Drama, ohne Absicht etwas hervorbringen zu müssen. Sie SIND schlichtweg.
Für mich ist es ein schmerzhafter Prozess, den Wunsch nach dramatischen und krassen Bildinszenierungen von Pferden loszulassen. Aber ich möchte diesen Weg dennoch gehen. Was ich heute fotografiere, trifft viel mehr die Natur und die Seele der Pferde. Schlicht und unaufgeregt. Und mit Glück und Geduld eben doch mal mit Bewegung, Action und Ausdruck – aber aus einem intrinsischen Antrieb der Pferde heraus. Es fordert mich gleichermaßen, Spannung und Bildmotive aus der Einfachheit entstehen zu lassen.
Vor 4 Jahren habe ich hier einen Blogbeitrag unter dem Titel „Drama Baby – Mit Ausdruck zu emotionalen Bildern“ geschrieben. Das, was in diesem Beitrag geschrieben steht, ist nicht grundsätzlich „falsch“ oder durch meine neues Bewusstsein „schlecht“. Auf der Ebene der Fotografie stimmen die Tipps, die ich darin gebe, bis heute. Doch darf und soll jeder für sich selber entscheiden, ob das Bedienen dieser dramatischen Elemente für krasse Bildergebnisse noch mit der inneren Haltung zum Wohle der Pferde und zum Wohle des kollektiven Bewusstseins noch stimmig ist.
Für mich ist es das nicht mehr – mit Ausnahme von Szenenbildern und Situationen, die ich tatsächlich vor Ort, in der Heimat der Pferde, so vorgefunden und durch ein geschicktes Auge durch Bildkomposition nutzbar gemacht habe, statt das Pferd zu etwas zu manipulieren.
Drama in der Trauer und in emotionalen Beziehungen
Neben aufregenden Kulissen und spektakulären Motiven bietet die Tier- und Pferdefotografie jedoch auch für ein anderes Gesicht des Dramas eine Plattform. Dem Drama von emotionalen, (tot-)traurigen Geschichten.
Tod & Trauer sind ein unglaublicher Trigger, für die allermeisten Leute. Weil es nun mal bewegt, weil sich die meisten Menschen in genau diese Szenarien hineinversetzen können. Und weil dieses Gefühl so stark ist, dass es deutlich gespürt werden kann.
Aber wem dient diese Form des Dramas eigentlich noch?
Diese Frage durfte ich zusammen mit unserem Rettungspferd Jane erleben und für mich klären. Wir haben Jane vor dem Tod gerettet. Im September kam die halbblinde Quarter Horse Stute auf Haut und Knochen abgemagert, nach Luft ringend und tragend in unser Leben. Es war bewegend. Herzzerreißend. Aufregend. Und schwierig. Denn Jane ist nicht nur ein unglaublich innerlich starkes Pferd. Sie ist eine warmherzige Freundin und ich liebe sie wirklich sehr.
Es bewegt mich, wenn sie nach Atem ringt. Wenn sie nur wenige Meter traben oder galoppieren kann, bevor sie ein Hustenanfall ereilt. Wenn ihre Rippen herausstechen und ihr Fell von Parasiten durchlöchert wird. Wenn das Herz angestrengt schlägt. Wenn ich ihre müden und erschöpften Augen sehe. Es hat mich sehr traurig gemacht, ihr Fohlen nicht retten zu können.
Doch hilft mein MIT-Leid Jane? Fühlt sie sich dadurch gestärkt, schenke ich ihr damit einen erwartungsfreien Raum, in dem sie sich selbst fühlen kann, selbst über sich bestimmen kann?
Nein.
Im Mitleid findet keine Heilung statt.
Das bedeutet nicht, dass wir die Trauer nicht fühlen und erleben dürfen. Im Gegenteil. Doch müssen wir bereit sein, sie durch unseren Körper gehen zu lassen. Du musst bereit sein, sie zu fühlen und dann wieder zu verabschieden. Das ist der Grund, warum ich nur recht selten über Jane berichte. Es hat für sie keinen Zweck, aus ihrem Leid ein Drama zu schaffen. Stattdessen möchte ich nüchtern über sie berichten, Sorgen auch mal teilen – aber ebenso wieder loslassen und stattdessen einfach einen Schritt nach dem nächsten gehen.
Jane erfährt zum ersten Mal, wie es ist, wenn jeder bei sich bleibt. Daraus schöpft sie ihre Kraft. Sie trägt selber die Entscheidung, zu leben oder zu sterben. Denn alles was wir für sie machen, ist genug. Wir halten ihr eine Tür auf, durch die sie selber gehen kann.
Wenn du jedoch an deinem Tier mit deiner eigenen überregulierten Fürsorge hängst, es mit deinen Ängsten und unendlichen Sorgen überschwemmst, auch wenn du glaubst, dass du es aus Liebe tust, dann bindest du dein Tier auf eine ungesunde Art und Weise an dich. Du machst es von dir abhängig, denn es ist niemals gesund, die Räume zweier Individuen zu einem verschmelzen, wenn man nicht mehr weiß, wo man endet und der andere beginnt. Es ist unausweichlich, dass dein Tier krank wird – oft sogar körperlich das für dich ausbadet, was du innerlich selber in dir nicht in Heilung gebracht hast.
Verwechsle Liebe nicht mit Abhängigkeit.
Haben dir als Kind die Sorgen deiner Eltern genützt oder eher geschadet, z.B. bei Sätzen wie „Kind, zieh dir lieber etwas an, sonst wirst du noch krank.“ – obwohl dir selber gar nicht kalt war? Welche inneren Glaubenssätze haben sich dadurch manifestiert?
Diese Form der Emotionalität und des Dramas ist etwas, das die meisten Leute anspricht. Weil die meisten Leute innerlich so verletzt sind, dass sie sich mit dieser Frequenz leichter verbinden können.
Es gilt, achtsamer damit zu werden. Raum geben, in dem alle aufatmen können. Leichter, freier – und ohne Drama, auch wenn es eben nicht die Klicks bringt.
Worauf legst du deine Aufmerksamkeit?
Beobachte dich, wem oder was du deine Aufmerksamkeit schenkst. Denk daran, dass deinen Gedanken und deiner Energie die Materie folgt. Lebst du noch im Drama? Dann wirst du das auch in dein Leben ziehen. Braucht dein Gehirn immer wieder diesen Kick nach dem „Oh Gott, was ist da denn los?“ oder kannst du es schon sachlich und nüchtern mit einem „Aha.“ abschirmen?
Wäre es nicht schöner, wenn wir statt Drama lieber echte, ruhige und friedliche Momente des Glückes teilen können?
Mit deinem nächsten Posting trägst du dazu bei, ob du das Drama in der Welt und in dir weiter füttern möchtest oder ob du dich auf den friedlichen Pfad begeben willst.
Regiert dich die Angst (die im tieferen Kern immer die Auslöserin für Drama ist) oder folgst du dem Weg der Liebe? Leicht, erwartungsfrei und wissend, dass sich alles zu deinem Besten und dem Besten deiner Träume, Ziele, deiner Tiere und Mitmenschen verwandeln wird?