„Schau mal, so ein schönes Foto! Ach nee, das ist doch sicher nur Photoshop.“
„Ich will lieber fotografieren und nicht manipulieren.“
… – solche und ähnliche Aussagen findet man immer wieder und wieder in Fotoforen von hartnäckigen Verfechtern der out-of-cam-Fotografie. Nichts für Ungut, ein sauberes Bild muss bereits in der Kamera entstehen und jeder Fotograf sollte korrekt belichten können. Auch wenn wir dank moderner Technik nicht mehr zwingend mit Belichtungsmesser und Graukarte arbeiten müssen. Ausnahme bildet dabei wohl nur noch die Werbe- und Produktfotografie.
Aber warum schwingt immer ein Hauch von negativer Energie in Fragen wie „Wie viel Photoshop steckt in diesem Bild“ mit? Wer hat beschlossen, dass Fotografie rein sachlich die Gegebenheiten darstellen muss? (Was sie sowieso niemals tut, denn allein die Linsen verzerren die Realität.) Und wer hat entschieden, dass die kreative Ausarbeitung einer Rohdatei nicht mehr Bestandteil der Fotografie ist?
„Früher gab’s auch kein Photoshop“ mag vielleicht der ein oder andere Analogveteran mit erhobenen Zeigefinger anmerken. Aber schauen wir genauer auf die analoge Fotografie zurück, stellen wir schnell fest, dass bereits damals in der Dunkelkammer (Darkroom) beim Entwicklungsprozess optimiert und das Fotowerk durch gezieltes Abwedeln und Nachbelichten, durch bewusstes Verzögern in den Entwicklungsbädern kreativ verändert wurde. Fotografie war also noch nie ein reines Abbilden des Motives. Selbst Fotomontagen wurden schon vor Photoshop & Co erstellt. In dieser Galerie seht ihr, wie sehr schon vor über 100 Jahren retuschiert wurde. Und warum sollte man auch nach der Wahl einer geeigneten Brennweite, nach dem Suchen des perfekten Anschnittes und dem Spiel mit der Tiefenschärfe plötzlich aufhören, ein Bild kreativ weiter zu entwickeln?
Unser digitales Zeitalter hat uns wahre Technikwunder in die Hand gegeben. Nicht umsonst steckt beinahe unendlich viel Potential in den digitalen Negativen, die wir in Rawkonvertern (wie Lightroom – Na, wem fällt das Wortspiel von Adobe auf?) in alle erdenklichen gestalterischen Richtungen ausreizen können. Ob Belichtungskorrekturen, Weißabgleich, Farbkanalanpassungen, selektive Korrekturen, Anschnitte, Schärfe und Unschärfe, das Retuschieren von störenden Gegenständen, das Zusammenfügen mehrerer Bildelemente, oder die Königsklasse, den Composings: Uns heutigen Fotografen ist ein viel feineres Werkzeug für die Bildentwicklung in die Hand gegeben worden, als es unsere damaligen Kollegen je hatten. Besser denn je können wir in unseren Bildern für eine noch bewusstere Führung sorgen und gezielter das Auge des Betrachters leiten. Angefangen bei der Retusche sämtlicher störender Elemente wie Stromlitzen, die durch ihre oft markante weiße Farbe das Bild ungünstig teilen, bis hin zu bewusstem Hervorheben bildwichtiger Elemente wie z.B. den Augen oder einer schön geschwungenen Konturlinie. Vor allem können wir uns beim Entwicklungsprozess alle Zeit der Welt lassen und beliebig viele Schritte vor und zurück gehen. Manchmal muss eine Bildidee auch nach dem Shooting erst reifen. Welche Farbstimmung soll dem Foto verliehen werden? Kann der Hals durch eine geschwungenere Oberlinie aus einem anderen Bild ausgetauscht werden? Sollte der Weidebauch noch ein bisschen kaschiert werden? Natürlich gibt es Situationen, in denen man nicht „Schummeln“ sollte oder darf. Wünscht der Besitzer beispielsweise den tatsächlichen Ist-Zustand seines Pferdes auf den Bildern, sollte man sich auf die sowieso schon realitätsendfremdene Stauchung des Telezooms beschränken und nicht das Pferd nachträglich in Photoshop verflüssigen. Dass man eben genau für solche Situationen sein Handwerk als Pferdefotograf beherrschen muss und neben Kreativität vor allem das Auge für das Motiv Pferd stimmen muss, ist selbstredend. Es geht auch gar nicht um Momente, in denen zu viel Retusche unangebracht ist. Es geht viel mehr um die Möglichkeiten und die unzähligen Türen, die sich Dank Photoshop vor allem für das eigene Portfolio und die eigenen Serien, öffnen.
Natürlich unterscheiden sich Geschmäcker und einige Fotografen schießen mit ihren Photoshopwerken etwas über das Ziel hinaus (Richtung Kuriositätenkabinett 😉 ). Aber genauso, wie es eben Leute gibt, die ein natürliches Gespür für Harmonie und Gleichgewicht und einfach „ein Auge“ haben, gibt es eben Künstler, die ihre ganz eigenen Gestaltungsregeln aufstellen. Nichtsdestotrotz sollte man nicht gleich die gesamte digitale Photoshopwelt verteufeln, nur weil einem beispielsweise extrem künstliche Stilrichtungen mit unlogischen Flares und Millionen Filtern nicht zusagen. Schönheit liegt immer noch im Auge des Betrachters. Es gibt genauso Fotografen, die viele, viele kleine Bearbeitungsschritte in ihren Bildern vornehmen, um am Ende ein sehr sauberes Foto zu erzeugen. Oftmals wird bei solchen Bildern nicht gleich die böse Photoshopkeule geschwungen, weil die meisten nicht mal erkennen, was nachträglich an so einem Bild verfeinert wurde.
Fotografie ist ein Prozess. Ein Bild ist niemals fertig. Als Fotograf und kreativ Schaffender sollte man immer nach einer persönlichen Entwicklung seiner eigenen Werke streben. Und dank Photoshop kann man leicht altes Bildmaterial erneut bearbeiten, verfeinern und an seinen aktuellen ästhetischen Geschmack anpassen. Wer das nicht tut, bleibt zwangsläufig auf der Stelle stehen und sprengt niemals die Hauseinstellungen seiner Kamera.
Im Folgenden findet ihr einige Vorher-Nachher-Bilder aus meinem Archiv. Mit Klick auf die Fotos könnt ihr sie in voller Größe (und Schärfe) betrachten:
Wäre es nicht schade, wenn dieser schöne Moment im Originalzustand geblieben wäre? Manche Situationen passieren innerhalb weniger Sekunden. Nicht immer stimmt dann schon alles am Fotoset. Mithilfe der Nachbearbeitung wird im Handumdrehen die Assistentin im Hintergrund entfernt und dem intimen Moment zwischen Mutter und Tochter durch warme Farben und einem nachträglichen Lensflare noch mehr Stimmung verliehen.
Eines meiner allerersten Bilder wurde mit einem schwammigen Tamronobjektiv gemacht. Die Qualität ist nicht besonders gut und viel Ahnung von Kameraeinstellungen hatte ich damals auch nicht. Jahre später kann ich diesen einmaligen Moment jedoch neu bearbeiten und aufwerten. Den Hintergrund habe ich durch das Stempelwerkzeug erzeugt. Die Farben sind an einen Vintage-Look angelehnt.
Zaun und Halfter weg, Stimmung rein.
Wenn man um die Möglichkeiten weiß, gehen einem schnell auch mal die Photoshop-Pferdchen durch 😉